Gewitternase

  • Am Nachmittag und Abend ,sowie bis in die Nacht hinein des 22.06.2023 kam es in Deutschland verbreitet zu unwetterartigen Wettererscheinungen.

    Diese machten sich auch an meinem Wohnort somit an meiner Wetterstation Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt bemerkbar.

    Nachdem sich in Bitterfeld-Wolfen tagsüber die Luft noch einmal auf 32 Grad und Taupunktwerten von 20 Grad erhöht hatte , herrschte unangenehme Schwüle vor.

    Es war also eine feuchte und energiereiche Luftmasse vorhanden, in weicher sich in Verbindung mit Tief ,,Lambert" über Deutschland verbreitet hochreichende und teilweise intensive Gewitterzellen sogar auch Superzellen entwickelten.

    Häufig kam es zu Starkregen und Hagel sowie starken Windböen und durch die teilweise vorhandene Windscherung wurde sogar vor Tornados gewarnt.

    Kurz nach 21.00 Uhr streifte dann in etwas abgeschwächter Form die erste große Gewitterzelle ,welche nach Medienberichten im Raum Kassel Starkregen und Hagel bis 5 cm Korngröße brachte, unser Gebiet. Diese reichte bis ins Gebiet etwas südlich von Dessau.

    Im späteren Verlauf nach 22.00 Uhr ,entwickelten sich dann südwestlich und südlich von uns, zwischen Halle/Saale und Leipzig eine Gewitterzelle welche dann mit einer weiteren aus Südwesten kommenden Gewitterlinie aus Thüringen kommend,

    unser Gebiet überquerte. Dabei vielen innerhalb von 40 Minuten 18,8 mm Niederschlag ,begleitet von heftigen Windböen zudem wurde eine hohe Blitzrate festgestellt. Dabei gab es einen Windsprung von Südost auf Nordwest sowie eine Abkühlung auf 18,4 Grad. Interessant ist hierbei die sogenannte ,, Gewitternase " die sich im Barogramm des Luftdrucks darstellte. Diese entsteht wenn ein starkes Gewitter am Standort durchzieht und die vorhandene warme Luft und damit auch leichtere Luft plötzlich durch kältere Luft ersetzt wird. Als Folge davon steigt der Luftdruck plötzlich und schnell an. Nach Abzug des Gewitters erwärmt sich die Luft oftmals wieder etwas und der Luftdruck geht wieder zurück.

    In meinen Abbildungen als Barogramm vom Barograph und der Wetterstation sind mindestens 2 solcher ,,Gewitternasen" zu erkennen. Die erste wie oben beschrieben durch den Streifschuss der abgeschwächten Gewitterzelle ( Superzelle) welche im Raum Kassel Unwetter brachte. Und die zweite welche sich zwischen Halle/Saale und Leipzig südwestlich und südlich von uns entwickelte sowie der Gewitterzelle die ebenfalls aus Südwesten heranzog und mit einer Gewitterlinie aus Thüringen kommend verbunden war und uns überquerte. Dabei steigt der Luftdruck um 20.50 Uhr von 1010,5 hpa auf 1012,5 hpa bis 21.05 Uhr plötzlich an, um danach bis 21.20 Uhr wieder auf 1011,5 hpa zu fallen. Noch stärker dann um 21.40 Uhr von 1011,6 hpa auf 1015,3 hpa bis 22.40 Uhr steigt und fällt dann nach Mitternacht wieder auf 1012,2 hpa.



    Gewitterzellen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld-Wolfen (schwarze Umrandung)


    Barogramm Luftdruck Wetterstation Bitterfeld-Wolfen


    Barogramm vom Barograph in Bitterfeld-Wolfen

    • Offizieller Beitrag

    Trotz des Hagels ist die Region Halle / Leipzig / Bernburg / Dessau am Donnerstag (22.Juni) nur knapp einer noch größeren Katastrophe entgangen, denn der von dir schwarz umrandete Bereich im Radarbild ist ziemlich genau ein Hakenecho (hook echo), welches für den Bereich einer Superzelle mit Tornadobildung typisch ist. Der Haken war jedoch nicht ganz geschlossen,,,, es fehlte lediglich die Verbindung der langgestreckten südlichen Zelle zur nördlich gelegenen Superzelle mit dem Hauptniederschlagsgebiet.

    Anbei zum Vergleich ein musterhaftes Hookecho mit Tornado am Boden:



  • Hallo Jörg ,

    danke für deine Antwort . Das klingt ja wirklich interessant. Da sind wir wohl noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen.

    Trotzdem finde ich solche Wetterlagen immer wieder spannend. Dann ist wenigstens mal was los in der Atmosphäre. :vain:

    Nichtsdestotrotz sollte es dadurch natürlich nicht zu Schäden kommen oder gar jemand verletzt werden.


    Als Nachtrag hier noch die Blitzanalyse vom 22.06.2023

    um 23.05.Uhr


    • Offizieller Beitrag

    Wir waren in der "glücklichen" Lage, es lag genau über uns, aber blieb aber nur bei der Rotation und sehr starken Böen.


    Gruß aus Niedersachsen

    Greetings from Lower Saxony - Germany
    Ich antworte keinem User, wenn er nicht seine AWKAS ID in der Anfrage / in der Signatur angibt.

    I will not reply to any user if they do not include their AWKAS ID in their request / signature..

    Je ne réponds à aucun utilisateur s'il n'indique pas son ID AWKAS dans sa demande / sa signature.

    No responderé a ningún usuario si no incluye su ID de AWKAS en su solicitud / firma.


    Gruß Udo


    Stations ID: 9713

  • Der Alte
    Tornado-Signaturen gab es am Donnerstag gegen 18:20 bis 18:30 Uhr kurz vor der Stadtgrenze von Braunschweig, dein gezeigter Ausschnitt eine halbe Stunde zuvor war das Vorgeplänkel davon.
    Also: Auch Braunschweig ist nur um Haaresbreite einer Totalzerstörung durch tornadische Wuchten entkommen.


    Stefan
    Drei Stunden später wurde auch östlich von Dessau die Signatur "starke Rotation" festgestellt:



    Dass es dennoch nicht zum Touchdown eines "Twisters" gekommen ist, dürfte wie gesagt am nicht ganz geschlossenen Haken gelegen haben, also einer unterschiedlichen Zuggeschwindigkeit zwischen den kleinen Konvektionszellen ("Haken-Anker") am Südrand sowie dem großen Niederschlagsgebiet nördlich der detektierten Rotation. Bereits einige Stunden zuvor über Hessen war der explosionsartig entstandene MCS-Doppelkomplex mit den enthaltenen zwei Gewitterstaffeln ein Bogenecho (bow echo), wie der DWD in seiner Unwetter-Nachbetrachtung vom Freitag analysiert hat

    Auch interessant: Estofex-Vorhersage vom Mittwoch für Donnerstag (nur auf Englisch)


    Die Region mit dem höchsten Unwetterpotenzial war demnach relativ gut vorhergesagt worden - sie reichte noch 100 bis 150 km weiter nördlich als angenommen, jedoch nicht ganz soweit östlich (schon hinter dem Fläming war wie so oft die "Luft raus" und nordöstlich von Potsdam auch sturmfrei, es war hier ein "normales" Gewitter ohne Unwettercharakter - übrigens hier das erste Gewitter seit Anfang April!)


    Beste Grüße,

    Jörg

  • Zum Thema Tornado gibt es heute nochmals einen interessanten

    Beitrag vom DWD im Zusammenhang mit der Schwergewitterlage am 22.6.2023. Mitunter ist es im Nachhinein schwierig zu beurteilen ob tatsächlich ein Tornado oder ein Downburst stattgefunden hat. Anhand von Schadensbildern oder der Wetterlage sowie Foto oder Videomaterial (klar erkennbarer Rüssel mit Bodenkontakt) können hier Hinweise geben.


    Wetter und Klima - Deutscher Wetterdienst - Thema des Tages - Tornado! - Oder doch nicht?

  • Es scheint Berlin hat heute beim Kaltfront Durchgang einiges an Niederschlag abbekommen.




    Dazu noch ein Textausschnitt von der Berliner Wetterkarte vom 27.06.2023 ,(Berliner Wetterkarte e.V.).


    Somit wurden östlich der Elbe vielerorts Niederschlagsmengen über 20 mm registriert. Ahrensfelde, am Ostrand Berlins meldete 52,7 mm, gefallen zwischen 16 und 18 Uhr MESZ. Messstationen des FU-Stadtmessnetzes und der Berliner Wasserbetriebe verzeichneten zwischen 16 und 17 Uhr MESZ in der Innenstadt zwischen 20 und etwas über 30 mm. Nach Presseberichten wurden im Stadtgebiet überschwemmte Straßen, vor allem in Unterführungen wie z.B. auf der Höhe des Kaiserdamms an der Stadtautobahn A100, gemeldet, Keller liefen bei dem Starkregen voll, so u.a. der Keller des Kinos Zoo-Palast.

    Zwischen 16:30 und 17:40 Uhr MESZ musste die Berliner Feuerwehr etwa 200 Mal wetterbedingt ausrücken.

    In Berlin-Dahlem sank die Temperatur innerhalb von weniger als einer Stunde um mehr als 10 K von 30,4°C auf 19,7°C. Gleichzeitig brachten es die Gewitterböen auf eine maximale Windgeschwindigkeit von 20,7 m/s, das ist die oberste Grenze der Windstärke 8 Beaufort. Bis zum Abend betrug die Niederschlagsmenge hier insgesamt 19,3 mm, womit sich die Monatsbilanz vom 21.6. mit 2/3 Defizit in nur 5 Tagen auf 1/3 Plus erhöht hat.

    • Offizieller Beitrag

    Stefan
    Ja, das stimmt - am Montag waren es bis zu 53 mm Niederschlag am östlichen Stadtrand (Ahrensfelde), wenige Kilometer östlich von hier, am Tierheim Berlin-Falkenberg, kam es sogar zu Hagel.
    In der City-West (z.B. Charlottenburg) fielen ebenfalls weit über 30 mm NIederschlag in sehr kurzer Zeit.
    Am gestrigen DIenstag zogen dann zwischen 10:30 und 23:30 Uhr eine ganze Armada von Schauerstaffeln inklusive Gewitter, Graupel und Sturmböen (bis zu 83 km/h am Flughafen BER) über uns hinweg, bevor sich auch am Boden die kältere Meeresluft polaren Ursprungs hier durchsetzen konnte. Schwerpunkt der Niederschläge war erneut der nördliche und nordöstliche Stadtrand (Hohen Neuendorf bis zu 38 mm). Das Band der stärksten Regenfälle zog sich als ca 5 km breiter Streifen von Frohnau bis Mahlsdorf und Köpenick. Gleichzeitig gab es große Unterschiede innerhalb Berlins: Am südlichen Stadtrand fielen gleichzeitig nur sehr wenige Tropfen (<= 0,3 mm), wie sowohl die Stationsmesswerte als auch die Radarsummenkarte eindrücklich zeigten.


    Die Juni-Bilanz ist damit äußerst unterschiedlich: von knapp unterdurchschnittlichen 66 mm am nordwestlichen Stadtrand bis hin zu 142 mm im östlichen Stadtgebiet (dem Doppelten des "Juni-Solls"!) ist alles vertreten. Die Zahl der Regentage war dagegen mit 8 bis 9 überall zu gering (das Klimamittel liegt zwischen 13 und 15).


    Grüße aus der Hauptstadt,

    Jörg


    PS: Im Südwesten Deutschlands wird der Juni um sage und schreibe 4,5 Grad zu warm ausfallen!